Reitsafari über die Malwa-Ebene

Indiens Natur und Kultur erleben

Der Süden Rajasthans ist ganz anders als man sich den indischen “Wüstenstaat” so vorstellt. Viel fruchtbarer und gleichzeitig hügeliger mit einer Vielzahl von Seen und Flussbetten, die sich zur Regenzeit mit Wasser füllen.

Unsere Safari beginnt am Jaisamand See, dem zweitgrößten künstlich angelegten See Asiens. Wir fahren mit dem Auto die 48 km von Udaipur nach Jaisamand und stimmen uns auf die grandiose Landschaft mit einer Bootstour auf dem See ein.

Rings um den See zieht sich der Jaisamand Nationalpark mit seinen schroffen Hügeln und einsamen Tälern. Man kann sich gut vorstellen, wie hier einst Tiger durchs Unterholz pirschten, bis Briten und Maharadschas auch den letzten von ihnen erschossen.

Auf zwei Bergspitzen liegen majestätisch die ehemaligen Sommerpaläste der Ranis von Udaipur. Ein schöneren Ort, um vor der mörderischen indischen Sommerhitze zu fliehen, gibt es wohl nicht.

Aber momentan ist Winter und das Thermometer misst angenehme 25°C. Temperaturen, von denen man in Mitteleuropa zurzeit nur träumen kann. Nachdem wir eingehend den kunstvollen Damm aus dem 17.Jahrhundert mit seinen Pavillons und Elefanten aus Marmor bewundert haben, geht es zu unserem Safaricamp. Unser Mittagessen wird im Schatten eines alten Hindutempels serviert. Danach haben wir Gelegenheit, unsere Pferde kennenzulernen.

Marwaripferde in allen Farben und Zeichnungen warten bereits auf uns. Ihre außergewöhnlichen Sichelohren unterscheiden sie von jeder anderen Pferderasse der Welt. Werden sie gespitzt, so formen sie einen perfekten Bogen. Bei manchen Pferden überlappen sich sogar die Ohrenspitzen, bei anderen hingegen berühren sie sich nicht ganz. Wir sitzen auf und es geht los auf unseren Nachmittags-Test-Ritt. Die Pferde drängen vorwärts, lassen sich aber gut zurückhalten und parieren.

Unser Weg führt uns am Rande des Nationalparks entlang und immer wieder sehen wir die gnu-ähnlichen Nilgais. Am späten Nachmittag sind wir zurück im Camp und werden mit Tee und Kaffee begrüßt. Unsere deutsch-indischen Gastgeber setzen sich zu uns und wir plaudern über dies und das. Dusche und Toilette sind auf einem sehr interessanten Anhänger montiert und eher klein. Aber es ist schon ein Erlebnis sich am Abend auf den Lokus zu setzen und über sich den freien Himmel mit den ersten Sternen zu sehen.

Am nächsten Morgen reiten wir früh los. Nach langen Galoppstrecken über offenes Terrain, die nicht selten in kleine Rennen ausarten, kommen wir am Mittag an der Tempelanlage von Jagat an. Nach der Zerstörungswut der Mogule ist heute nur noch ein aus dem 10.Jahrhundert stammender Durga-Tempel übrig, reichlich mit exotischen Steinschnitzereien verziert.

Hier machen wir Mittag. Die Pferde werden abgesattelt und lang angebunden, so dass sie von dem spärlichen Grass naschen können. Nach einer ausgedehnten Mittagspause in der wir Zeit haben, uns den Tempel und die benachbarten Cenotophen einer längst vergessenen adeligen Familie anzusehen, geht es in gemächlicherem Tempo weiter. Das Gelände wird hügelig und recht steinig. Kein Pfad führt mehr durch diese Wildnis und mehr als einmal schließe ich die Augen, wenn sich mein Pferd leichtfüßig den Weg über einen steilen Abhang bahnt. Mein Respekt vor diesen indischen Pferden mit den komischen Ohren wächst.

Recht spät kommen wir an diesem Abend im Camp an und entsprechend müde sind wir. Aber der gute indische Masala Tee möbelt uns halbwegs wieder auf und eine warme Dusche trägt viel dazu bei, dass wir alle wieder gutgelaunt am Abendbrottisch sitzen.

Nach einem kühlen Bier und indischen Snacks gibt es heute einen Grillabend mit mariniertem Huhn und verschiedenen Gemüsesorten. Trotz des hervorragenden Essens ziehen wir uns alle recht bald in unser Zelt zurück und schlafen traumlos und tief.

Am dritten Tag ändert sich das Gelände, wir lassen die Hügel hinter uns und kommen in die fruchtbare Ebene die geografisch bereits zu Malwa, also Zentralindien gehört. Die Erde wird dunkler und fruchtbarer und die Dörfer zahlreicher. Der heutige Reittag ist kürzer und nach einer flotten Dusche bleibt Zeit ein kleines Fort im Nachbardorf zu besichtigen.

Ein alter Mann kramt einen riesigen Schlüssel hervor und geleitet uns durch ein massives Holztor in einen Innenhof. Das Fort scheint bereits seit langer Zeit unbewohnt und bröckelt so allmählich vor sich hin. Trotz allem ist die glorreiche Vergangenheit noch immer spürbar. Die Bogenfenster im islamischen Stil und die gewaltigen Hängeerker erinnern daran, dass hier einst der Herrscher des Dorfes zu Hause war.

Am nächsten Tag brechen wir früh auf, denn heute Nachmittag wartet eine Village Safari auf uns. Wie auch schon die letzten Tage, schlagen die Pferde eine flotte Gangart an. Sie scheinen so fit wie am ersten Tag.

Schon um 15:00 Uhr erreichen wir unser Camp, wunderschön an einem azurblauen See gelegen. Schon von weitem sehen wir einen Schwarm Flamingos im Wasser waten. Das Pink ihrer Federn leuchtet über Kilometer. Natürlich zücken wir alle erst einmal unsere Kamera, um dieses reizvolle Bild einzufangen.

Heute müssen wir uns jedoch beeilen, um eine Stunde später in den urigen grauen Armeejeep zu steigen, der uns ins Dorf bringen soll. Das Dorf entpuppt sich als mittlere Stadt mit einem alten Fort im Zentrum. Dort werden wir ausgeladen und bummeln die Strasse herunter. Eng stehen die alten Häuser aneinander, bunt bemalt. In vielen befinden sich im Erdgeschoss Läden, die verschiedene Dinge verkaufen. Einer hat es uns besonders angetan, hier werden Saris in leuchtenden Farben verkauft.

Schließlich betreten wir einen kleinen Töpferladen. Der Besitzer begrüßt uns freundlich mit den traditionell zusammengefalteten Händen und lädt uns ein, sein Handwerk zu bestaunen. Auf einer alten Töpferscheibe fertigt er Tongefäße und anderes Tongeschirr wie bei uns vor langer Zeit. Neben diesen praktischen Utensilien hat er aber auch noch einiges an Kunsthandwerk in seinem Laden. Pferde, Elefanten und Kamele aus rotem Ton stehen dort neben Öllampen und anderen Sachen.

Nach dem Töpfer sehen wir noch anderes traditionelles indisches Handwerk, einen Bronzegießer, der noch immer nach dem Prinzip der verlorenen Form arbeitet, einen Schnitzer und einen Maler, der indische Häuser mit traditionellen Miniaturgemälden verziert. Es ist schon dunkel, als wir wieder im Camp eintreffen und das Abendessen wartet bereits.

Ein weiterer Safaritag bricht an und wir haben beim Frühstück noch einmal die Gelegenheit, die schöne Aussicht auf den See zu genießen. Dann schon brechen wir zu einem weiteren Tag im Sattel auf. Heute führt uns der Weg durch fruchtbare Felder. Wir sehen zum ersten Mal den berühmten Opiumanbau der Gegend. Weiß-blühende Poppy-Pflanzen stehen dicht gedrängt auf kleinen Parzellen Land. “Der Anbau ist stark limitiert.”, erklärt uns unser Führer.

Auch heute reiten wir vorbei an den prachtvollen Flammenbäumen, die um diese Jahreszeit alle Blätter abgeworfen haben und voll in einer orangefarbenen Blütenpracht stehen. Ein wenig abseits der Dörfer entdecken wir eine Pfauen-Familie, die neugierig die eleganten Hälse recken, um zu sehen, welche ungewöhnlichen Kreaturen ihnen da entgegenkommen. Schließlich ziehen sie es aber doch vor, sich gepflegt ins Unterholz zu verdrücken.

Müde kommen wir am Abend im Camp an. Heute haben sich unsere Gastgeber etwas Besonderes einfallen lassen. Sie nehmen uns mit auf den Gipfel eines kleinen Hügels zum “Sundowner”. Da dieser Hügel in der Ebene liegt, lässt sich von dort oben die gesamte Umgebung sehen. Wir genießen den herrlichen Blick und fühlen uns so richtig relaxt.

Früh brechen wir am nächsten Morgen auf. Es ist immer noch angenehm frisch in den Morgenstunden und wir erfreuen uns an der klaren kühlen Luft des indischen Winters. Heute geht es entlang einiger breiter Sandwege, auf denen wir traben und galoppieren können.

Nach dem Mittag kommen wir in offeneres, wilderes Gelände. Immer wieder säumen Palmen und Flammenbäume unseren Weg. Gegen Nachmittag durchqueren wir eine kleine Stadt. Mein Pferd wirft sich in Positur und tänzelt erhabenen Hauptes an Menschen und Marktständen vorbei, die es keinen zweiten Blickes würdigt. Wir haben schon festgestellt, dass die Pferde verkehrssicher und geländeversiert sind. Auch heute gehen sie gelassen durch das bunte Treiben dieser indischen Stadt. Frauen in farbenfrohen Saris beäugen uns neugierig. Männer in Turbanen und imposanten Schnurrbärten bleiben stehen, um unsere Karawane zu begutachten.

Die ein oder andere Kuh hastet erschreckt davon und eine Gruppe Ziegen stiebt auseinander. Vorbei geht es an alten Havelis und einem imposanten Palast, wie üblich im Herzen der Stadt gelegen. Hier sitzen wir schließlich ab und führen unsere Pferde in den Innenhof, wo sie angebunden werden, damit wir uns den Palast ansehen können. Dieser ist noch prunkvoller als üblich, ein wirklicher Palast mit Sälen, Korridoren, Balustraden und Terrassen. Aber auch er ist unbewohnt und dem Verfall preisgegeben.

Weiter geht es! Mit der untergehenden Sonne erreichen wir unser Camp, dieses Mal in einem wunderschönen Garten gelegen. Unsere Gastgeber erklären uns, dass dies der ehemalige königliche Garten der Herrschaftsfamilie gewesen sei. Heute wird im größten Teil Landwirtschaft betrieben, nur ein kleines Stück ist noch in seinem ursprünglichen Zustand mit alten Bäumen und duftenden Jasminhecken.

Unser Zelt steht direkt unter einem ausladendem Mangobaum, der zu dieser Zeit noch die letzten weißen Blüten trägt. Unsere Abendgespräche im Scheine der Gaslaterne drehen sich um die Vergangenheit des feudalen Rajasthans. Wir fühlen uns, wie in 1.001 Nacht!


25. November 2013